Nach der Ernte

Diese Geschichte entstammt der Planung zu unserer Ausstellung kunst|natur, die im September im Kunstverein Offenbach starten soll(te…). Sie greift Ideen und die Hauptperson aus Vor der Ernte auf, und sie spielt irgendwann danach. Was wird aus „Simulationen“ in „Simulationen“? Falls dieser Begriff überhaupt sinnvoll ist …


Der Regen hatte aufgehört, aber in der Ferne grollte noch immer der Donner. Tropfen fielen aus den hohen Baumwipfeln, prallten auf die Blätter im Unterholz, zersprangen oder perlten von der ihrer Oberfläche. Der Urwald glitzerte, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Kronendach drangen, während nach und nach das Konzert der Insekten wiedererwachte.
Jary genoss das seltsame Gefühl der Wassertropfen auf xieser[1] Haut. Solche ungewohnten Eindrücke machten diese Ausflüge ins Konservat für xien zu etwas ganz Besonderem. Gerüche, Geräusche, Sonnenhitze und Schattenkälte überfluteten xiese Wahrnehmung. Blätter, jedes von anderer Struktur, strichen über xiese Arme, und selbst der Flügelschlag winziger Mücken bewegte die Luft genug, um machte sich als Moment der Abkühlung bemerkbar. Wie hatten die Vorfahren mit der geringen Bandbreite ihrer Sinne und der Langsamkeit der Denkprozesse nur damit umgehen können?

Eine unangenehme Berührung zog xiese Aufmerksamkeit zurück in diese Realität. Eine Ranke voll scharfer Dornen schrammt an xiesem Bein entlang und hätte in menschlicher Haut wohl tiefe, schmerzhafte Kratzer hinterlassen. Die Vorfahren mit ihren empfindlichen, biologischen Körpern hätten ihre Blicke wohl eher auf den Weg und seine Hindernisse gerichtet als auf die Schönheit drumherum. Wie viel musste ihnen entgangen sein!
Die Heuschrecke, die kaum eine Handbreit höher am Zweig saß, war reglos sitzengeblieben, denn sie konnte Jary nicht wahrnehmen. Xiem hingegen bot das Konservat sogleich einige Etiketten zu dem Insekt an, aber xier ignorierte die Metaebene. Jarys Ziel waren die Ayreos. Der Weg und der Aufstieg waren eher ein Ritual, eine Einstimmung, so wie das persönliche Overlay, das xiem die physische Erfahrung dieser Welt erlaubte, ohne sie zu stören.

Als Körper hatte xier eine menschliche Gestalt gewählt, nicht xiese Standard-Gestalt, glatt, reduziert und praktisch. Wie sollte man eine solche Welt begreifen können, wenn man sie aus der Distanziertheit der Cluster-Bewohner betrachtete? So hatte Jary nun dunkle Haut und schwarze Haare, nahe am Menschheits-Durchschnitt. Die Vorfahren hätten die Gestalt mit ihren großen Augen wohl als kindlich beschrieben. Das passte, denn die Kindheit war für die Menschen die Zeit des Lernens gewesen.
Vielleicht hatte der grauhaarige Mann auf der alten Fotografie einmal so ausgesehen. Jary mochte diese Vorstellung. Seit der ‚Begegnung‘ in der verlassenen Kunstgalerie, vor Tausenden MegaPing, versuchte xier immer wieder, sich auf solchen Exkursionen an die Welt der Vorfahren anzunähern. Und an die ihrer Ahnen, der Wesen, die noch ganz ein Teil der Natur gewesen waren. Vielleicht war es nur eine Marotte, doch das Bild hatte xien verändert.

Ein Frosch fing doch noch Jarys Aufmerksamkeit ein, klein und rot, mit großen, schwarzen Augen. Weithin sichtbar saß er auf dem großen, gelochten Blatt einer Kletterpflanze. Hatten die Vorfahren seinesgleichen gegessen?

Wieder tauchte eine Reihe von Etiketten zu dieser Frage in Jarys Verstand auf und bot passende Informationen an. Sie waren nicht zu sehen, nur zu spüren, wartend auf xiese Aufmerksamkeit, um lesbar zu werden. Ein Kopfschütteln ließ sie verschwinden, und Jary deaktivierte diese Ebene für die Dauer xieses Besuchs um Wald. Xier wollte alleine mit der Natur sein, nur beobachten, sehen, hören und spüren.

Nein, Freßfeinde hatte er nur wenige, denn seine zarte Haut, feucht und glänzend vom Sekret winziger Drüsen, war mit Giften überzogen. Sicher war er trotzdem nicht, denn hier im Konservat wurde gejagt, gelitten und gestorben wie auf der alten Erde. Selbst Bakterien, Parasiten und Krankheiten waren in diese Welt übernommen worden. Nur die Menschen fehlten.
Jarys Finger strichen fast zärtlich über den Rücken des Tieres, fühlten die Struktur der Haut, die zarten Knochen darunter und die Vibrationen von Atmung und Herzschlag. Xies Blick drang tiefer ein, durch die Oberfläche, sah Nerven und Organe. Es war ein Weibchen, und es würde bald ablaichen! Jary vermutete, dass ein Lächeln der passendste Gesichtsausdruck war, und passte xiese Mimik an.

Das Gehirn der Tiere jedoch war ihr größtes Wunder. Wie viel Erkenntnis, wie viel Selbst steckte in dieser Ansammlung von Zellen? Die Vorfahren mussten ein Bewusstsein haben. Sie redeten darüber, hatten vergebliche Bände mit den Diskussionen darüber gefüllt. Doch wie, wann es in der Evolution biologischer Gehirne entstanden war, gehörte zu den letzten großen Rätseln der Welt. So genau man ihre Körper auch kannte, ihr Empfinden war immer nur von innen erfahrbar. Nur die wenigsten Tiere konnten davon berichten.

Der Frosch bemerkte nichts von alledem, aus seiner Sicht war Jary nicht einmal hier. Xier bewegte sich durch die Welt des Konservats, ohne ein Teil von dessen Modell zu sein. Das System erstellte für Jary eine temporäre Kopie der unmittelbaren Umgebung, in der sich die Zweige verbogen, wenn xies Bein an ihnen entlang streifte, die Tropfen von xieser Haut perlten, und in der xier die Tiere und Pflanzen ertasten konnte. Hinter xiem verschwanden die Duplikate, die ohnehin nur Formen, aber keine Funktionen etwas des Nervensystems abbildeten, als hätten sie nie existiert. Keines der Lebewesen im Konservat hatte jemals einen Besucher wahrgenommen. Hier gab es nur unberührte Natur, wie es sie auf der Erde nicht mehr gegeben hatte, seit die Menschheit sich von ihr getrennt hatte.

Xier machte noch ein Foto des Tieres, ein einziges, zweidimensionales, zu großen Teilen unscharfes. Dazu simulierte Jary einen Fotoapparat aus der Zeit der Vorfahren, zumindest seine Optik. Die seltsame Mechanik mit ihren Knöpfen und Einstellrädern war unnötig, doch der Prozess des Auswählens von Perspektive, Fokus und Brennweite erforderte eine fast meditative Beschäftigung mit dem Motiv. Ein Bild, von vorne, leicht von unten, auf dem nur ein Auge des Tieres wirklich scharf war. Nur eine Oberfläche, die den Blick ins Innere ganz der Imagination überließ. Eine Marotte, mehr nicht. Die Intensität der alten Fotografie würde Jary nie erreichen.

Xier wandte sich ab, doch nicht ohne dem Frosch noch einmal zuzunicken und ihm eine gute Zeit und viele Kaulquappen zu wünschen. Der Weg führte nun leicht bergab, zu einem Bach, dessen Rauschen Jary trotz des monotonen Gesangs der Zikaden bereits hören konnte, und dann stromauf zur Kolonie der Ayreos. Oder zu ihrer Siedlung? Zwei Begriffe, zwei Wertungen. Noch waren ihre Stimmen nicht zu vernehmen.

Stattdessen lauschte Jary dem Rascheln im Unterholz, dem Wind und dem Zwitschern im Geäst, fallenden Tropfen und den Bewegungen unsichtbarer Wesen. Mal bildete das Moos einen weichen Teppich, dann ging xier vorsichtig über glitschiges Laub oder balancierte über einen morschen Baumstamm, dessen Holz unter xiesen Füßen nachgab. Ungeschickt, unerfahren im Umgang mit diesem Körper rollte Jary über den Waldboden, um an einer Wurzel zur Ruhe zu kommen. Geknickte Pflanzen zeichneten xiesen Weg nach, bis das persönliche Overlay verblasste und den Blick auf die von alldem unberührte Natur freigab. Xier setzte den Weg fort und versuchte, nichts mehr zu zertreten, nicht einmal in der persönlichen Zwischenkopie.
Ohnehin musste Jary nun aufmerksamer sein. Es war nicht mehr weit bis zum Ziel, und xier wollte nichts übersehen. Der Radius um die Kolonien, in denen die Vögel ihre Spuren hinterließen, wuchs immer weiter. Waren sie überhaupt alle erkennbar? Wie wären Duftmarkierungen, geknickte Zweige oder in Rinden geritzte Marken erkennbar deuten, wenn man ihre ‚Sprache‘ nicht verstand?

Als das Konservat, eine Kopie der naturnahen Reste der alten Welt, erschaffen worden war, waren die Ayreos einfach nur Vögel gewesen. Sie hatten nicht einmal einen Namen gehabt, eine unbeschriebene Spezies unter den unzähligen, die gescannt und in diese Welt übertragen worden waren. Das war, für die Vorfahren, vor nur wenigen Jahrzehnten gewesen, seit sich ihre Wege von denen der Cluster-Bürger getrennt hatten. Existierten die namenlosen Ahnen der Ayreos auf der Erde überhaupt noch? Es spielte keine Rolle, das Wichtigste war ‚hier‘ geschehen, im Konservat.

Seit dem Exodus der Republiken in den entstehenden Ring aus Computerclustern, der einmal der Planet Venus gewesen war, waren die Zeiteinheiten aus Drehung und der Sonnenumkreisung der Erde keine relevanten Größen mehr. Ein Ping wurde, im Verhältnis zur Außenwelt, ein immer kürzerer Moment. Oder, es war eine Frage der Perspektive, die Außenwelt war seither von einer Zeitlupe fast zu einem Standbild geronnen. Die Zeit im Konservat verging noch schneller, denn es war zwar, von innen betrachtet, riesig, doch die nötige Rechenleistung war, im Verhältnis, bedeutungslos niedrig. Und noch stand genügend Kapazität zur Verfügung. Merkur wurde gerade umgewandelt, Asteroiden strömten aus dem äußeren Sonnensystem in den Cluster-Gürtel. Nur Erde und Mars blieben, als Reservat, den Vorfahren, den Menschen und Tieren vorbehalten. Es würde wohl noch Jahrhunderte dauern, ehe sie sich auch nur die technische Möglichkeit erarbeiten würden, wieder die Nachbarplaneten zu erreichen.

Das Konservat hätte eigentlich, im Plural, ‚die Konservate‘ heißen müssen. Denn noch waren es nur einzelne Lebensräume, bevorzugt solche, die geographisch so klar abgegrenzt waren, dass die Verbindungen nach Außen vernachlässigt oder vereinfacht, als Mittelwerte berechnet werden konnten. Der Wald des großen Flusses, dem Amazonasbecken nachempfunden, war der erste große Versuch mit simulierter Natur. Er endete in diesem Modell an unüberwindlichen Gebirgsketten und einem Ozean, der jenseits der ersten Meile nur noch ein Bild war, eine Kulisse mehr für die Besucher als die Bewohner.

Er existierte inzwischen in unterschiedlichen Versionen. Diese war die erste gewesen, und sie sollte dem echten Lebensraum so ähnlich wie möglich sein. Andere, später aus den Originaldaten gestartete Variante, liefen mit anderen Parametern, mit mehr oder weniger Zufälligkeiten, ohne Mutationen, um den Originalzustand zu erhalten oder, experimentell, mit erhöhter Mutationsrate. Wenn irgendwann genügend Rechenkapazität zur Verfügung stünde, sollten die noch getrennten einzelnen Lebensräume zu einer großen Realität zusammengefasst werden, ergänzt um die Biotope, die noch als pure Scandaten im Speicher lagen. Eine neue Erde – doch wo würde dann der Platz der Ayreos sein?

Sie waren das jüngste Ergebnis der Evolution in der Subwelt des Konservats, und sie hatten alle überrascht. Erst waren es nur kleine, unbedeutende Änderungen im Sozialverhalten gewesen, so dass die namenlosen Vögel dauerhafte Familienverbände gebildet hatten. Dann hatte sich die Entwicklung der Küken verlangsamt, sie waren länger bei ihren Eltern geblieben, hatten mehr gelernt, und bald war die Verwendung von Dornen zum Bohren nach leckeren Maden vom Geniestreich einzelner Tiere zum Kulturgut der Ayreos geworden. Schneller als von den Biologen des Clusters erwartet, hatte die Kultur die Hauptrolle als Selektionsfaktor übernommen und Körper und Gehirn an ihre Bedürfnisse angepasst. Es war, als hätte eine winzige Mutation die Weiche zu einem völlig neuen Weg stellt. Vögel hatten ohnehin ein effizienter vernetztes Gehirn als die Säugetiere und die Menschen, von den die ersten Clusterbewohner abstammten.

Jary folgte einem Wildwechsel, einem wohl von Tapiren ausgetretenen Pfad, der noch immer mitten durch die Ansiedlung der Ayreos führte. Sie waren zu klein und die Trampeltiere zu groß, und sie hatten sich arrangiert. Der Urwald veränderte sich, als Jary sich der Siedlung näherte. Andere Pflanzen, andere Tiere, so wie einst die Dörfer der Vorfahren ihre Umwelt verwandelt hatte, noch ehe sich die Menschen aus der Natur gelöst hatten. Jedes Tier formte seine Umwelt, und die Trennlinie zwischen Natur- und Kulturlandschaft war schon immer eine Frage der Perspektive gewesen.

Kurz bevor xier die Lichtung erreicht hatte, kletterte Jary auf einen Baum, um die Veränderungen von oben zu betrachten. Die Ayreos rodeten nicht, doch sie rupften unerwünschte Schösslinge, damit ihre Futterpflanzen – und die der Kleintiere, die für die Vögel eher Leckereien dann Grundnahrung waren – besser gedeihen konnten. So wuchsen hier keine Urwaldriesen mehr, sondern ‚Obstbäume‘, niedrig und leichter zu ernten, denn die Ayreos waren keine guten Flieger mehr. Sie waren eher Klettervögel, seit sich, vor einigen hundert Generationen, zwei bekrallte Finger aus dem Knochenverbund der Flügel gelöst hatten, in die sie die Evolution Jahrmillionen zuvor gezwungen hatte. Ab diesem ‚Moment‘ der Geschichte hatte sich alles erneut beschleunigt. Finger ermöglichten Manipulation, und das, was einige Krähenvögel mühsam und ineffizient mit dem Schnabel zu erreichen gesucht hatten, gelang den Ayreos, wie sie seither genannt wurden, in wenigen Generationen. Sie hatten eine Kultur entwickelt, und im Cluster fragte man sich, wie lange sie noch Teil des Konservats bleiben konnten.

Aus dem Geäst beobachte Jary eine Gruppe von Ayreos, die Gelbbeerenbäume von Unkraut und ‚Schädlingen‘ befreiten. Selbst die Beeren hatten sich bereits gewandelt, waren gewachsen und durch die Selektion der Ayreos fleischiger und süßer geworden. Ein Stück weiter führte ein Männchen – an den längeren Schwanzfedern erkennbar – eine Schar Jungtiere zum Waldrand. Ein Erzieher, gar Lehrer? Die Geschwindigkeit, mit der die Kultur zum bestimmenden Selektionsfaktor ihrer Evolution geworden war, war atemberaubend!

Etwas raschelte, und Jary drehte sich um. Xier hatte einen Affen oder einen gewöhnlichen Vogel erwartet, so hoch oben im Geäst. Doch zu xieser Überraschung war es ein Ayreo, groß und glänzend schwarz mit gelbem Schnabel, der sichtlich mühsam so weit hinaufgekommen war. Das Gefieder spreizte sich mit jedem heftigen Atemzug, ehe das Tier langsam zur Ruhe kam. Ein Weibchen, erkannte xier am dem roten Ringen um die Augen.
‚Zwei Welten‘, dachte Jary. Xier befand sich in einem anderen Wald als das Tier, getrennt durch die Interpretionsebenen der Software. Sie waren beide gleich real, und Jary zweifelte nicht daran, dass der Vogel sich seiner Selbst auf vergleichbare Weise bewusst waren. Die Physik-Schichten der Maschine arbeiteten für beide fast gleich, wenn auch mit unterschiedlichen Auflösungen und Geschwindigkeiten. Auf einer Seite berechneten sie Zellen und Gehirne, auf der anderen neuromorphe Elemente und Körpermechaniken. So wie Atome, die sich in nichts von denen im Computronium-Ring unterschieden, auf der Erde die Biologie der Vorfahren abbildeten.

Jary wandte sich wieder dem Geschehen in der Siedlung zu, doch ein Gefiederrascheln und ein leises Gurren zogen ihn zurück. Doch da war noch immer nur der einsame Ayreo, der in xiese Richtung zu blicken schien. Aber der Vogel konnte xien ja nicht sehen, und unten auf der Lichtung begegnete die Kindergruppe einigen Erntehelfern, die mit Blättern und Lianen ein Bündel Früchte transportierten.

Rascheln, knackende Zweige und ein Sprung. Jary fuhr herum. Der Ayreo war nun kaum zwei Armlängen entfernt. Was suchte er? Jary konnte nichts entdecken, hier waren keine Früchte, nicht für die Tiere interessantes. Irgendetwas schien ihn in Aufregung zu versetzen.

Aber der Ayreo schien Jary mit seinem Blick zu fixieren. Das war natürlich unmöglich, denn er konnte ihn nicht sehen. Es musste etwas hinter xiem sein, und so drehte xier sich um. Doch da war nur Geäst und, dichter; grüner Wald, und dahinter die Lichtung. Etwas Kleines, Freßbares? Xier entdeckte nur kleine Insekten, eine Blüte, nichts das groß oder süß genug war, um für das Tier interessant zu sein. Sollte xier Metainformationen abrufen? Nein, das passt nicht zum Zauber dieser Begegnung. Schon erwartete xier, dass der Vogel fortfliegen, durch Jarys in einer anderen Ebene der Welt befindlichen Körper hindurchgleiten und sich auf eine für xien unsichtbare Beute stürzen würde. Doch nichts geschah.

Als xier sich wieder umdrehte, schaute der Ayreo noch immer direkt in Jarys Gesicht. Xier trat zur Seite, und der Blick des Vogels folgte ihm. Nein, das war absurd. Er folgte etwas, was auch immer er an dieser Stelle erblickte.

Doch warum sah xier es nicht? Was auch immer da war, eine temporäre Kopie wäre auch in Jarys Welt-Ebene eingeblendet worden. Sie wäre spürbar gewesen, wenn sie sich auf xiesen Kopf gesetzt hätte, wäre fühlbar gewesen, wenn sie aneinandergestoßen wären. Aus der Position des Ayreos wäre das alles nicht geschehen, so wie Jary in der Weltinterpretation des Tieres nicht auftauchte.

Nein, nicht auftauchen durfte.

Trotzdem folgten die schwarzen Augen des Vogels der von Jarys Bewegungen, als könnte er beide Ebenen erkennen. Xier löste xiese Aufmerksamkeit aus der simulierten Gestalt, schaltete auf höchste Prozessgeschwindigkeit und prüfte die Konsistenz der Weltmodelle. Alles war intakt. Zurück im simulierten Menschenkörper trat xier näher heran. Der Ayreo erschrak, zuckte, als ob er fliehen wollte, und blieb dann doch sitzen. Sein Kopf ruckte vor und zurück, bewegte sich zur Seite, als ob er ihn besser betrachten wollte, und verharrte ihn leicht geneigter Haltung, so dass nun ein Auge direkt auf Jary gerichtet war. Er blinzelte.
All das konnte nicht sein! Die Schichten des Weltmodells sollten nur von xieser Seite aus transparent sein, nicht für das Gehirn eines biologischen Wesens!

Der Ayreo senkte einen Flügel, und die beiden Fingerkrallen tauchten aus dem Gefieder auf. Er streckte sich, und die erste Kralle deutete direkt in xieses Richtung. Erst zögerte xier, doch dann hob Jary seine rechte Hand und streckte den Zeigefinger aus. Sie berührten sich, und der Vogel gab eine Folge gezwitscherter Töne von sich.

War es ein Name? Eine Begrüßung?

„Jary“ antwortete xier und deutete auf sich selbst. „Ich bin Jary.“


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